Klimaschutz und Landwirtschaft Hand in Hand – Politik muss Rahmenbedingungen für Agroforst verbessern
Gutachten des WBNK zu Hindernissen bei der Einführung von Agroforstsystemen
Berlin, 15.10.2025 – Landwirtinnen und Landwirte haben großes Interesse an Agroforstsystemen (AFS), trotzdem werden sie noch zu selten umgesetzt. Dadurch bleiben große Chancen für Klimaschutz, Artenvielfalt und eine zukunftsfähige Landwirtschaft ungenutzt. Warum das so ist und an welchen Stellschrauben gedreht werden sollte, hat der WBNK in einem Gutachten untersuchen lassen.
„Agroforstsysteme verbinden produktive Landwirtschaft mit aktiven Beiträgen zu Klimaschutz und Artenvielfalt. Sie sind ein Schlüssel für die Zukunft unserer Agrarlandschaften. Nun braucht es auch den politischen Willen, um die passenden Rahmenbedingungen dafür zu schaffen“, sagt Professor Andreas Gattinger, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für Natürlichen Klimaschutz.
Der Anbau von Gehölzen – Bäumen oder Sträuchern – auf Acker- und Grünlandflächen schafft vielfältige Vorteile: Er schützt Böden vor Erosion und fördert den Humusaufbau, macht die Landwirtschaft widerstandsfähiger gegen Starkregen und Hitzeperioden, speichert CO₂ und verbessert die Lebensraumqualität für Tiere, insbesondere für bestäubende Insekten.
Komplizierte Rahmenbedingungen – zu wenig Förderung und fehlendes Wissen
Bislang wird die Verbreitung von Agroforstsystemen durch komplizierte rechtliche Regelungen bei der Agrarförderung, unzureichende Finanzierung und fehlendes Wissen sowohl bei Behörden als auch in der Praxis erschwert. Viele Landwirtinnen und Landwirte fragen sich, ob sich ein Antrag zur Integration von Agroforst in ihrem Betrieb überhaupt lohnt. Viele können nicht einschätzen, was die Umsetzung praktisch und wirtschaftlich für sie bedeutet.
Das Gutachten „Status-Quo der Umsetzung der Agroforstwirtschaft in Deutschland, Hemmnisse bei der Umsetzung sowie Handlungsempfehlungen“ von Dr. Rico Hübner vom Deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF) e. V. benennt zentrale Hemmnisse: Die Förderung über die Öko-Regelung 3 im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU bleibt oft hinter dem tatsächlichen Bedarf zurück: Sie deckt oft nicht die hohen Investitions- und Pflegekosten und und lässt sich zudem in vielen Fällen nur schwer mit anderen Agrarumweltmaßnahmen kombinieren. Rechtliche Unsicherheiten und bürokratische Hürden bremsen die Umsetzung zusätzlich aus. Hinzu kommen fehlende Beratungsangebote und eine unzureichende fachliche Begleitung. Das wären aber notwendige Voraussetzungen für eine größere Akzeptanz und stärkere Umsetzung von Agroforstwirtschaft. Ebenso sollte das Thema in der landwirtschaftlichen Ausbildung eine größere Rolle spielen.
Einstieg fördern – Rechtssicherheit schaffen
Der WBNK empfiehlt, im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) eine langfristigere Förderung einzuführen, die Landwirtinnen und Landwirte bei der Einführung agroforstlicher Systeme auf Acker- und Grünlandflächen gezielt unterstützt. Diese Förderung sollte von der europäischen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) unabhängig sein und dabei helfen, die Investitionskosten und mögliche Ertragsverluste in den ersten Jahren auszugleichen und die Pflege der gepflanzten Gehölze zu sichern. Zusätzlich könnte eine Finanzierung von Streifenanbau, Zwischenfrüchten und Lebendmulchsystemen – also von Anbausystemen mit dauerhaft wachsenden Pflanzendecken zum Schutz und zur Verbesserung des Bodens – einen niedrigschwelligen Einstieg in klimaresiliente und biodiversitätsfördernde Anbausysteme ermöglichen.
Darüber hinaus sollten Verwaltungsverfahren flexibilisiert sowie Genehmigungsverfahren vereinfacht und verkürzt werden. Statt teils konträrer Auslegungen des Förder- und Fachrechts auf lokaler und regionaler Ebene, sollte Rechtssicherheit für die Landwirtinnen und Landwirte geschaffen werden.
Agroforstwirtschaft als zentrales Element der Agrar- und Klimapolitik
Das Bundesumweltministerium (BMUKN) hat in seinen jüngst vorgestellten Empfehlungen zur Weiterentwicklung des ANK zentrale Maßnahmen für landwirtschaftlich genutzte mineralische Böden vorgeschlagen. Besonders hervorzuheben ist die angekündigte Förderung naturverträglicher Agroforstsysteme und Strukturelemente in der Agrarlandschaft, die künftig verstärkt werden soll. Ebenso wichtig ist die anvisierte Erarbeitung eines Bund-Länder-Leitfadens zur naturschutzrechtlichen Einordnung von produktionsorientierten Agroforstsystemen. Damit können den Landwirtinnen und Landwirten Rechtssicherheiten angeboten und den Behörden klare Bewertungsmaßstäbe an die Hand gegeben werden.
Mit diesen Plänen greift das BMUKN wesentliche Forderungen des WBNK auf. Die Empfehlungen des WBNK zu Agroforst gehen jedoch deutlich über die Empfehlungen des BMUKN hinaus: Mit einer bundesweiten Strategie sollten Agroforstsysteme als integraler Bestandteil nachhaltiger Landwirtschaft, Klimaschutz und Biodiversitätsförderung anerkannt und gezielt in den Verwaltungs- und Entscheidungsstrukturen etabliert werden.
„Die Kombination von Landwirtschaft und Gehölzanbau ist einer unserer chancenreichsten Bausteine für eine klimaresiliente Agrarlandschaft“, betont Gattinger. „Wir begrüßen, dass das Bundesumweltministerium im ANK den Ausbau von Agroforstsystemen klar als Maßnahme definiert. Nun gilt es, die Förderstrukturen und den Rechtsrahmen so anzupassen, dass Landwirtinnen und Landwirte motiviert werden, diese Chancen tatsächlich zu nutzen.“
Das Gutachten „Status-Quo der Umsetzung der Agroforstwirtschaft in Deutschland, Hemmnisse bei der Umsetzung sowie Handlungsempfehlungen“ finden Sie zum Download auf der Webseite des WBNK.